Bestzeit in Hamburg 2017 - Anjas schönster Triathlon


Nachdem Anja letztes Jahr erstmalig auf einer Mitteldistanz gestartet war, hatte sie sich für dieses Jahr als Saisonhöhepunkt den "größten Triathlon der Welt" in Hamburg ausgesucht. Im Rahmen der grandiosen Stimmung eine solchen Großevents wollte sie auf der olympischen Distanz eine persönliche Bestzeit erreichen, was ihr letztlich auch gelungen ist.

Hier ihr Bericht:

Seit Januar trainiere ich nach triathlonspezifischen Trainingsplänen von Go-Coach. Ich war gespannt, was eine so kontinuierliche Beschäftigung mit allen drei Ausdauersportarten im Ergebnis bringen würde. Spaß und Abwechslung beim Training brachte es schon im Vorfeld allemal. Ich hatte deutlich weniger Laufkilometer als sonst im Jahr, aber dafür deutlich mehr Radkilometer als üblich und eine stattliche Anzahl von Schwimmkilometern im Trainingstagebuch stehen. Eine sehr gute Wettkampfbasis.

Am Wettkampftag ging kurz nach 6 Uhr der Wecker. Kurz nach 8 Uhr starteten wir nach einem guten Athletenfrühstück ab Hotel Richtung Check-in in die Wechselzone am Ballindamm. Ich trällerte auf dem Rad fahrend MEINEN Song zum Hamburg-Triathlon: „I love my life“ von Robbie Williams, das er für seine Kinder geschrieben hat. Ich hatte es gerade fünf Tage zuvor noch live beim Robbie-Konzert gehört. Und bei jedem Anhören im Vorfeld spendete es mir gute Laune und Energie (Nina durfte es im Hotel bestimmt 10x mithören ;-) Jedenfalls fragte mich Frank, ob ich den Song denn nachher beim Wettkampf auch ständig singen würde, und ich antwortete: ja, vor allem beim Schwimmen ;-)


Da lag sie nun, die braunfarbige Alster, das Wasser war wohl 19 Grad warm, etwas wärmer als die Luft. Wir kamen in den Bereich, wo sonst die Profistarter von ihren nummerierten Startplätzen vom blauen Teppich ins Wasser springen. Nina, Frank und ich umarmten uns nochmal fest und wünschten uns gegenseitig Glück und Erfolg. Dann machte jeder sein Ding.

Ich setzte mich an den Rand auf Startplatz Nr. 2 (meine Glückszahl) und ließ die Beine baumeln und äugte ins braune, undurchsichtige Wasser. „Noch 7 Minuten bis zum Start“, wurde durchgesagt. Na, dann muss ich da jetzt wohl rein. Ich stieß mich vom Rand ab, sprang mit den Füßen voran ins Wasser und tauchte einmal komplett unter. Aber unten wurde ich von spitzen Steinen gebremst. Aua! Ich haute infolge der im Knie gebeugten Unterschenkel mit dem rechten Fußrücken unsanft auf den Steinen auf. Sofort brannte es. Ich beäugte meinen Fuß und sah oberflächliche Schnittwunden auf Fußrücken und vorn am unteren Teil des Unterschenkels. Na, toll! Aber besser, als wenn ich mit der Fußsohle aufgekommen wäre, sagte ich mir, denn dann könnte ich nachher nicht mehr laufen. Das Wasser kühlte die Wunden zudem gleich angenehm. Kurz darauf sah ich, dass man weiter hinten auch über eine Leiter hätte ins Wasser klettern können. Tja, beim nächsten Mal dann ;-)
Ich schwamm mich ein paar Züge ein, sah, dass man in dem braunen Wasser wirklich 0cm weit sehen konnte und wartete auf den Start. Der Ansager peitschte uns ein: „Seid Ihr bereit für Triathlon?“ – „Jaaaa“ – vielstimmig. „Dann geht es jetzt los!“ 5, 4, 3, 2, 1, Signal, Start. Und das Wasser brodelte.

1500m durch die Alster, inklusive 3 Tunnel, lagen vor mir. Erstmal Rhythmus finden und das einengende Neogefühl akzeptieren. Ich fand mich bald eher hinten im Feld, aber nicht ganz alleine, da waren schon noch ein paar andere. Ich steuerte in der Ferne den Tunnel unter der Lombardsbrücke, die Verbindung von der Binnen- zur Außenalster, an. Die Schwimmbrille saß super, aber die Badekappe drohte mir ein paar Mal vom Kopf zu flutschen, so dass ich sie einige Male wieder draufziehen musste. Ansonsten versuchte ich mich auf den Armzug „Typ VW Käfer“ von meiner Schwimmtrainerin Christiane zu konzentrieren, um ordentlich Druck ins Wasser bringen zu können. Im Tunnel unter der Brücke wurde es dann kurzzeitig zappenduster im Wasser. Ich dachte kurz daran, dass hier bestimmt auch Ratten wohnen, aber dass die bei diesem Tumult dieses Wochenende sich sicher nicht herauswagen würden. Hinter der Brücke ging es auf eine gelbe Boje zu, drumherum und dann durch den benachbarten Brückentunnel zurück. Das nächste Ziel war die Brücke unterm Junfernstieg. Ich glaube sogar, es gelang mir ohne viel Zickzack draufzu zu schwimmen. Schließlich hatte ich sogar das Gefühl, im Schwimmflow angekommen zu sein. Zeit zum Singen :-)))) „ I love my life, I am powerfull, I am beautifull, I am free, I love my life, I am wonderfull, I am magical, I am me…“ Natürlich nur in meinem Kopf. Aber ich musste schmunzelnd an Frank denken.
Ich näherte mich dem Jungfernstieg, als sich von hinten schnellere Schwimmer näherten. Der nach uns gestartete Block. Jetzt erst? Die hatte ich viel früher erwartet. Ich freute mich, sprach das doch für eine gute Schwimmzeit. Nochmal durch einen zappendusteren Tunnel, dann ging es auf den Ausstieg zu, jetzt flog mir endgültig die Badekappe vom Kopf, ich rettete sie noch und schwamm mit ihr in der Hand die letzten Meter. Eine Helferin und ein Helfer zogen mich beherzt aus dem Wasser auf den blauen Teppich, und ich traute meinen Augen nicht, als ich auf Garmine meine Schwimmzeit sah: irgendwas mit 38min. Wow. 40min hatte ich mir zugetraut. Ich jubelte. Später sah ich, dass das einem Schnitt von 2:32min/100m entsprach, und das auf so langer Strecke. Schwimmbestzeit!

Die Wechselzone in Hamburg ist sehr, sehr lang, 800m lang, sagt Garmine. Erstmal blauer Teppich bis zum Fahrrad und da bekommt man direkt schon Wasser angereicht. Top. Mund vom Alsterwasser befreien. Den Neo konnte man da schon bequem runterziehen. Der Wechsel klappte schnell und sicher. Als ich in die Strümpfe schlüpfen wollte, sah ich allerdings Blut am Unterschenkel aus der Schnittwunde laufen. Also tupfte ich das kurz mit dem Handtuch ab und zog mich unbeirrt an. Die Blutgerinnung würde es schon richten. Ich entschied mich auch noch für die Windweste zum Radfahren, schnappte mir meinen Xeon und lief unendliche Weiten mit Radschuhen, das Rad schiebend, Richtung Radstrecke.

Jetzt geht´s lohos! Ich liebe Rennradfahren! Und das Radfahren auf abgesperrten Straßen sowieso. Und jetzt wollte ich richtig Gas geben. Und das tat ich dann auch. Drei Runden lagen vor mir, zusammen 40km. Dabei passierten wir 6x den Wallringtunnel. Ist das geil oder ist das geil? 6x stieß ich mitten im Tunnel einen Jubelschrei aus, weil ich dort fahren durfte. Und ich dachte an meinen super Hamburg-Marathon mit Pacemaker Maik zurück, der mich zur PB geführt hatte. Klar, dass das Energie gibt, oder? Die erste Runde war zum Kennenlernen der Strecke. Wieso stand da „Langsam fahren!“, ah, weil dahinten die Kurve kommt. Es waren so viele Leute auf der Strecke! 12m Abstand halten war schwierig, aber niemand musste Windschattenfahren, man konnte meist gut überholen. Die Steigung an der St. Pauli Hafenstraße hatte es ganz schön in sich, oder war das die Palmaille, wo es hochging? Egal, es fuhr sich genial. Schalten, pedalieren, schalten, weiter. Das Tempo fühlte sich gut an. Stellenweise brannten die Oberschenkel, konnten sich aber auch wieder in anderen Abschnitten erholen. Und es gab auch Wind in Hamburg, 18km/h meinte Garmine. Okay, für Hamburg wahrscheinlich eine leichte Brise ;-) Die 180-Grad-Kehren waren viel weniger eng als erwartet. Wir passierten natürlich auch die Elbphilharmonie; und da musste ich an mein sportliches Vorbild Jutta denken, die hier unlängst singen durfte. Publikum war auf diesem Streckenabschnitt eher wenig unterwegs. Außer 5 Kinder am Straßenrand. Die fielen mir auf, weil sie Runde für Runde applaudierten und gute Sprüche mit auf den Weg gaben. Ich schenkte ihnen jedesmal mein breitestes Lächeln und bekam immer Extraapplaus :-)
Hatte ich schon erwähnt, dass ich mehr am Überholen war, als dass ich überholt wurde? Und ahnt ihr, was das für Glücksgefühle auslöst? Nur ein einziges Mal war es gefährlich. Ich überholte gerade auf schmalem Streckenabschnitt, als mich dann unbedingt so ein Scheibenradmensch auch noch überholen musste. Er berührte mich leicht, aber nur an der Schulter und ich konnte die Spur halten. Aber da war mir mulmig. Sehr cool war dann das Befahren der Lombardsbrücke: wir fuhren gerade Rad, unten in der Alster wurde noch geschwommen und neben der Radstrecke wurde gelaufen - alle Triathlon-Disziplinen örtlich vereint. Sowas gibt es wohl nur in Hamburg?!
Ich hatte übrigens keinen Tacho am Rad, weil ich den zu Hause vergessen hatte. Aber so ein Tacho ist bei Vollgas ja auch egal, ne? Ich hatte jedenfalls erwartet, auf dem Fahrrad 1:20h unterwegs zu sein, 30er Schnitt. Und umso erstaunter war ich, als ich (allerdings erst nach dem Wettkampf auf der Medaillengravur) etwas von 1:12:31 las, was einem 33km/h-Schnitt entspricht. Radbestzeit! Die drei Runden waren übrigens so kurzweilig und gingen so schnell rum, dass mein Rücken nicht mal Zeit hatte, Schmerzen zu entwickeln, sehr schön!

Dann kam wieder die unendliche Weite der Wechselzone. Rad schiebend laufen. Rad einhängen, Helm ab, Weste aus, Schuhwechsel und ab dafür. Disziplin Nr. 3 stand nun an. 10km laufen.

Erstmal in die Gänge kommen und einen guten Rhythmus finden, war die Anfangsaufgabe. Auch die Laufstrecke war wunderschön. Vermutlich hätten da an der Außenalster sogar Leute zum Anfeuern gestanden. Aber nun hatte es angefangen zu regnen. Stört beim Laufen ja nicht wirklich, kühlt sogar angenehm. Als die ersten 2km herum waren, war ich insgesamt 2:14h im Wettkampf unterwegs, verriet mir Garmine. Ich hatte also für 8km noch 46min Zeit, um unter 3 Stunden zu finishen, was mein erhofftes Ziel war. Aber glaubt ihr, ich war in diesem Moment in der Lage, auszurechnen, welche Pace ich dann dafür laufen müsste? Nee, ging nicht. Kein Blut zum Rechnen im Kopf, alles in den Muskeln :-) Also lief ich einfachheitshalber einfach so schnell, wie ich konnte. Dann würde das schon klappen. Macht in einem Wettkampf ja auch irgendwie Sinn :-) Und die weiteren Schätzungen nach jedem nächsten geschafften Kilometer belegten, dass diese Herangehensweise richtig war. Die lange Begegnungslaufstrecke an der Außenalster gefiel mir. Ich lächelte viel und bekam das ein oder andere Lächeln zurückgeschenkt. Ich nahm alle Verpflegungspunkte mit ein paar Schlucken Iso und Wasser mit, jetzt zum Ende durfte mir nur nicht die Energie ausgehen. Auf dem Rad hatte ich jede Runde 1 Iso-Gel und ein paar Schlucke Iso zu mir genommen.
Dann traf ich Nina auf der Strecke und freute mich. Sie war schon auf dem Rückweg, während ich noch auf dem Hinweg zum Wendepunkt war. Eine ganze Weile lief ich einem Mann hinterher, der das Skelett auf seinem schwarzen Tria-Zweiteiler abgebildet hatte, sah lustig aus.
Der schönste Streckenabschnitt begann dann aber 1km vor dem Ziel. Der Namenssponsor Hamburg Wasser hatte eine Dusche aufgebaut und kündigte diese mit „Hier machen wir dich nass“ an. War sehr lustig, denn wir waren ja mittlerweile alle vom Regen vollkommen durchnässt, da kam es auf die Dusche nun auch nicht mehr an. Und der letzte Kilometer war dann mit blauen Erdinger-Banden abgegrenzt. Alle Zuschauer sahen nun mein freudiges Lachen, das jetzt bis zum Ziel fest ins Gesicht getackert war. Und natürlich meinen dynamischen Laufstil ;-) Immerhin ging mein letzter Kilometer noch in 5:09 Minuten weg.
Die letzte Kurve. Ein freundlicher Helfer rief mir zu, dass es nun nur noch 300m bis zum Zielbogen wären. Ich lief jetzt im Zielkanal vor dem Rathaus. Links und rechts die Zuschauertribünen, unten der blaue Teppich. Was für ein irres Gefühl! Jubelrufe, Applaus, mein Atem, meine Freude, mein Lachen. Dann war ich da. Nach 2 Stunden 54 Minuten und 1 Sekunde war ich im Ziel meines bislang schönsten Triathlonwettkampfs. Und umgehend schossen mir die Freudentränen in die Augen.